Advalyze

Kann das Verhalten in den sozialen Medien den Wahlausgang vorhersagen?

Lucas De David @ advalyze
Lucas De David

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Eine Fallstudie zur Bundestagswahl 2021

Ich weiß, ich weiß… wir schreiben hier normalerweise nicht über Politik. Und wir fangen auch heute nicht damit an. Aber da advalyze in Deutschland ansässig ist, wo diese Woche die Bundestagswahlen anstehen, wollen wir dieses Ereignis nutzen, um zu zeigen, wie man Social-Media-Daten auswerten kann, um eine Vorhersage der Ergebnisse zu treffen – oder zumindest das politische Meinungsbild der Menschen wiederzugeben.

Da wir für unsere Kunden regelmäßig Datenvisualisierungen und KPI-Berichte erstellen, haben wir uns überlegt, unser Fachwissen nun auf diesem Gebiet für ein Experiment zu nutzen. Ziel ist es, eine Methode der Datenerfassung, -analyse und -visualisierung zu testen, die wir normalerweise in unserem Bereich nicht einsetzen, und zu zeigen, wie mit geringem Aufwand ein Einblick in die Sympathien und Abneigungen von Internetnutzern – die im Jahr 2021 also den Großteil der Bevölkerung ausmachen – gegeben werden kann.

Können Social-Media-Likes das Wahl-Verhalten vorhersagen?

Natürlich ist die Vorstellung, dass Likes in sozialen Medien allein die Stimmung in der Bevölkerung genau wiedergeben können, stark vereinfacht und kann zu einer etwas verzerrten Sichtweise führen. Darüber hinaus ist uns bewusst, dass Menschen mit starken politischen Meinungen und Ideen viel eher bereit sind, diese auch in den sozialen Medien kundzutun, als z. B. Personen, die politisch weniger engagiert sind, keine Zeit haben, sich darüber zu informieren oder ihre Nachrichten lieber aus anderen Quellen beziehen. Es wird demnach interessant sein, zu untersuchen, ob die Sichtbarkeit der Kanzlerkandidaten und die Engagementraten in den sozialen Medien trotz dieser Bedingungen geeignet sind, den Wahlausgang vorherzusagen.

Meinungsumfragen sind und bleiben, sofern sie unabhängig durchgeführt werden können, die genaueste Art, um politische Prognosen zu erstellen.

Wir wären nicht die ersten, die das Social-Media-Engagement zur Vorhersage von Wahlergebnissen nutzen. Aber wir sind der Meinung, dass dies ein einfacher Weg sein könnte, die politische Stimmung während einer Wahlperiode in Ländern oder bestimmten politischen Konstellationen vorab zu analysieren, in denen Meinungsumfragen kaum oder gar nicht verfügbar sind. Nicht, dass dies in Deutschland der Fall wäre, wohlgemerkt. Hierzulande gibt es schier unzählige Umfragen zu diesem Thema. Und diese Datenerhebungen sind und bleiben, sofern sie unabhängig durchgeführt werden können, die genaueste Art, um politische Prognosen zu erstellen.

Youtube-Likes als Prognoseinstrument

Hier also unsere Hypothese: Wir glauben, dass die Sichtbarkeit und Akzeptanz von Youtube-Videos, die die Kanzlerkandidaten zeigen, positiv mit dem Ergebnis am Wahltag korrelieren könnte. Der Grund, warum wir uns auf Youtube-Videos konzentriert haben, liegt darin, dass es hier relativ einfach ist, deren API für die Verbindung mit Datenvisualisierungstools zu nutzen (weitere Informationen dazu findest du hier). Im Grunde kann sich damit jeder befassen und eine Art DIY-Umfrage erstellen!

Für unser Vorhaben haben wir also die wichtigsten Youtube-Kanäle ausgewählt, die zur diesjährigen Wahlkampagne Stellung nehmen. Zunächst haben wir Interviews, Videopräsentationen und einige kleinere Online-Auftritte der drei Hauptkandidaten analysiert. Dann haben wir die Youtube-API mit Tableau, einem unserer bevorzugten Tools zur Datenvisualisierung, verbunden, um Ansichten, Likes und Dislikes zu extrahieren. Anhand dieser Daten haben wir schließlich ein öffentliches Dashboard erstellt, welches bis zum Wahltag am 26. September an jedem zweiten Tag mit Daten aus neu hochgeladenem Videomaterial aktualisiert wird.

Die deutschen Wahlkandidaten auf Youtube

Für unsere Analyse haben wir uns der Übersicht halber auf die drei Kandidaten konzentriert, die zum Zeitpunkt der Erstellung des Dashboards am besten abgeschnitten haben. Das heißt natürlich nicht, dass nicht auch andere Parteien und ihre Spitzenkandidaten in der Zeit zwischen der Veröffentlichung dieses Blogs und dem Wahltag an Schwung gewinnen könnten, um das Rennen für sich zu entscheiden. Nur können diese im Rahmen dieses Experiments nicht weiter berücksichtigt werden.

Die Kandidaten und Parteien, über die wir berichten, sind:

  • Armin Laschet, Kanzlerkandidat der konservativen CDU/CSU (Christlich-Demokratische Union / Christlich-Soziale Union), der seit 2017 an der Spitze des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen steht. Er gehört derselben Partei an wie Angela Merkel (CDU), die seit 16 Jahren Bundeskanzlerin ist und sich in diesem Jahr nicht mehr zur Wiederwahl stellt. Die CDU und ihre bayerische Schwesterpartei CSU einigen sich vor jeder Wahl auf einen gemeinsamen Kandidaten.
  • Der zweite Kandidat ist Olaf Scholz von der SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands), der als Finanzminister der Bundesregierung und als Vizekanzler von Angela Merkel in der derzeitigen Koalitionsregierung bereits wichtige Ämter bekleidet. Seine Herausforderung besteht vor allem darin, den politischen Spagat als Oppositionsführer und Mitglied der aktuellen Regierung hinzulegen.
  • Annalena Baerbock, die von der Partei Bündnis 90/Die Grünen in Rennen geschickt wird, ist die jüngste und politisch am wenigsten erfahrene unter den drei Kanzlerkandidaten. Sie war bislang noch nicht an der Regierung beteiligt, spricht aber wichtige Themen wie den Klimawandel an, die bei den deutschen Wählern großen Anklang finden.

Politische Neulinge bekommen mehr Youtube-Aufrufe

Die Tatsache, dass Baerbock eine Newcomerin ist, verschafft ihr wahrscheinlich mehr Aufrufe als den anderen beiden Kandidaten. Vermutlich haben die Menschen hier eher das Gefühl, sie noch nicht ausreichend zu kennen und sich erst einmal zu ihrer Person informieren zu wollen, bevor sie eine Entscheidung treffen. Scholz hingegen ist schon seit Jahrzehnten im Amt und hat in der derzeitigen Regierung bereits eine wichtige Rolle gespielt. Da die meisten Menschen ihn bereits kennen, werden wahrscheinlich weniger Nutzer ins Internet gehen, um herauszufinden, wofür er und seine Partei stehen. Was Laschet betrifft, so ist er in seinem Heimatbundesland Nordrhein-Westfalen besser bekannt als im Rest Deutschlands.

German election Dashboard 1
Klicke auf das Bild, um ans Dashboard zu gelangen

Nach unserer ersten Stichprobe können wir festhalten, dass die meisten Videos einen höheren Anteil an Dislikes als Likes aufweisen. Aber auch hier gibt es Unterschiede zwischen den Kandidaten. Insbesondere Interviews sind die Art von Inhalten mit den meisten Aufrufen, aber auch die mit den meisten Dislikes.

Wir sind gespannt, wie sich unser Experiment bis zur Wahl am 26. September entwickeln wird und werden unser Dashboard dahingehend im Auge behalten. Auch laden wir dich herzlich dazu ein, diese spannende Ereignis gemeinsam mit uns zu verfolgen und einen Blick ins Dashboard zu werfen. Um dir selbst ein Bild zur Wahlstimmung zu machen, kannst du die Daten nach Kandidaten, Kanälen, Parteien und Inhaltstypen filtern und so eigene Schlüsse ziehen.

Bring uns mit an Bord!

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